T: H.R. Kunze
M: Herman van Veen




Die Tage vergehn doch wie im Flug
jaar: 1989

Die Wohnung riecht nach Sitzfleisch und Zigarren.
Ein leises Rauschen vom Berufsverkehr.
Die Kinder, die schwarz-weiß aus Rahmen starren,
vergessen dich bei jedem Anblick mehr.
Jetzt kannst du endlich mal die Zeitung lesen,
die flog sonst ungeöffnet auf den Müll.
Nie bist du besser informiert gewesen
als jetzt, wo man von dir nichts wissen will.

Die Tage vergehn doch wie im Flug.
Es gibt so unbeschreiblich viel zu tun.
Die Tage sind niemals lang genug.
Und du kommst wieder nicht dazu, dich auszuruhn.

Du sammelst die Geburts- und Taufanzeigen.
Bei jeder denkst du: Mußte das denn sein?
Du neigst dazu, am Telefon zu schweigen,
schläfst lange vor den Sendeschlüssen ein.
Die Kinder schreiben oft schon in Gedanken
den knappen, tief betrübten Trauertext.
Wann immer sie versagen und erkranken,
vermuten sie, du habest sie verhext.

Die Tage vergehn doch wie im Flug.
Es gibt so unbeschreiblich viel zu tun.
Die Tage sind niemals lang genug.
Und du kommst wieder nicht dazu, dich auszuruhn.




verschenen op:

Blaue Flecken (1989)